IMO verspielt die maritime Energiewende

Montag, 21. Juni 2021 - 9:30

Potenziale nicht ausgeschöpft

Hamburg 21.06.2021: Der Umweltausschuss der International Maritime Organization (IMO) hat in zweiter Lesung neue Regelungen zur Energieeffizienz verabschiedet, die die IMO-Klimaschutzstrategie ab 2023 mit Leben erfüllen sollen. Konzeptionell ist hierbei zu begrüßen, dass die Ergänzungen der MARPOL-Konvention Anforderungen für existierende Schiffe definieren (EEXI) und die CO2-Intensität im Schiffsbetrieb (CII) regulieren. Allerdings ist dieses Klimaschutzpaket insgesamt in mehrfacher Hinsicht unzureichend.

Es fehlen weiterhin Richtlinien für die technische Implementierung, Verifizierung und Durchsetzung der Maßnahmen oder sie sind so unklar, dass keine Rechtssicherheit für die Technologieentwicklung besteht. Zugleich stehen für Sub-Standard-Schiffe und -Flaggen zahlreiche Schlupflöcher weit offen.

Potenziale werden nicht ausgeschöpft – keine ambitionierten Ziele

Nach wie vor sind die Reduktionsziele für die fahrende Flotte nicht ambitioniert genug, um das Potenzial innovativer Umwelttechnik und verfügbarer alternativer Treibstoffe auszuschöpfen. Und auch die operationellen Anforderungen sind nicht nur niedrig, sondern wirken geradezu verharmlosend. Die für den Zeitraum von 2019 bis 2026 vereinbarten CII-Reduzierungen von insgesamt 11% werden damit begründet, dass die internationale Schifffahrt den Großteil ihrer Verpflichtungen bereits in der Dekade 2008-2018 erfüllt hätte. Diese Einschätzung beruht jedoch auf inkonsistenten und fragwürdigen Definitionen der maritimen Transportleistung.

Nachrüstung auf Neubaustandard schon heute möglich

Die europäische Schiffbauindustrie hat durch CESA-Interventionen deutlich gemacht, dass mit verfügbarer Technologie eine Nachrüstung auf den Neubaustandard machbar ist und für die Bilanzierung von Emissionen konsistente und verifizierbare Instrumente nötig sind.

Zwar wurde ein Review der Anforderungen vereinbart, um im Jahre 2026 gegebenenfalls nachsteuern zu können. Allerdings steht dies noch unter dem Vorbehalt der Vermeidung „unverhältnismäßiger negativer Auswirkungen auf Staaten“. Daher sind im Verlauf der weiteren IMO-Verhandlungen eher Ausnahmeregelungen (nicht nur) für Schiffe unter den Flaggen von „Small Island Developing States“ und „Least Developed Countries“ zu erwarten, die die absoluten Emissionsminderungen weiter schmälern werden.

Erhebliche Ausnahmeregelungen

Es ist schon jetzt erkennbar, dass ein erheblicher Anteil der Welthandelsflotte in Staaten beheimatet ist, die Erleichterungen in Anspruch nehmen wollen. Diese Interessenlage verzögert auch die Entwicklung weiterer Maßnahmen für die Realisierung einer klimaneutralen Schifffahrt. Da sich die internationale Staatengemeinschaft hierfür nach wie vor 50 Jahre mehr Zeit nehmen möchte als die Europäische Union, konnte bei MEPC 76 keine Einigung über die Einführung einer weltweiten CO2-Bepreisung erzielt werden. Vorerst bleibt es bei einem Arbeitsplan.

Klimaneutrale Schifffahrt weiter verzögert – Europäische Impulse notwendig

Der technische Geschäftsführer des VSM, Dr. Ralf Sören Marquardt, formuliert die Frustration der Schiffbauindustrie:

„Klimaschutz braucht jetzt Rechtssicherheit statt Erzählungen. Verlorene Zeit lässt sich nicht zurückholen: Wenn wir 2026 feststellen, dass es so nicht funktioniert, wird die maritime Energiewende zum Rohrkrepierer.

Da die IMO durch die Spaltung ihrer Mitglieder klimapolitisch weiterhin gelähmt ist, bedarf es nun europäischer Impulse, um bei der Bewältigung der Klimakrise nicht weiter Zeit zu verlieren. Hierbei darf die EU jedoch nicht nur ambitionierte Ziele setzen, sondern muss auch technologieoffene Rahmenbedingungen schaffen, die es der Industrie erlauben, ihre Innovationskraft auszuschöpfen. Für die schnelle Emissionsminderung in der Schifffahrt werden auch klimaneutrale e-Fuels benötigt, deren Nutzung durch die EU-Fokussierung auf „Null direkte CO2-Schiffsemissionen“ verhindert wird.“

VSM-Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhard Lüken betont:

„Die Europäische Union muss jetzt zeigen, dass maritimer Klimaschutz und wirtschaftlicher Erfolg gleichzeitig gelingen können: durch ambitionierte Anforderungen mit branchengerechten Instrumenten sowie technologieoffener Förderung der Flottenerneuerung.“

Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik e. V. ist die politische und wirtschaftliche Interessenvertretung der deutschen maritimen Industrie mit komplexen Wertschöpfungsketten in diversen maritimen Marktsegmenten. Weitere Einzelheiten zur Entwicklung der deutschen maritimen Industrie finden Sie im Internet unter http://www.vsm.de.